Unterricht, fachlicher Austausch und kulinarische Wagnisse – Eindrücke der Forschungsreise nach Taiwan

Vom 06. bis 14.05.2023 waren Anke Lindmeier und Josephine Paul auf einem Forschungsaufenthalt in Taipei, der Hauptstadt Taiwans. In Gesprächen mit den Kooperationspartner*innen vor Ort konnten Projekte vorangebracht und neue Ideen ausgetauscht werden. Auch zwei Schulbesuche umfasste der Aufenthalt.
  • Abteilung Didaktik allgemein
  • Didaktik der Mathematik

Meldung vom: | Verfasser/in: J. Paul

Josephine Paul, Anke Lindmeier, Ting Ying Wang

Foto: Josephine Paul

Am 06.05.2023 begann am Flughafen München die Reise in die taiwanesische Hauptstadt Taipei. Nach etwa 20 Stunden Reisezeit erreichten wir, Anke Lindmeier und Josephine Paul, unser Ziel am Sonntagabend. 

Nach einem herzlichen Empfang am Montagmorgen begannen erste Gespräche zum Abschluss des TaiGer Noticing-Projekts mit Ting-Ying WangExterner Link, unserer Kooperationspartnerin vor Ort. In diesem Projekt geht es darum, mit kulturkontrastierendem Ansatz besser zu verstehen, welche Rolle kulturell geprägte Normen für das Verständnis von Unterrichtsqualität im Mathematikunterricht spielen.

Wir stimmten den Plan für die Woche ab und begannen Absprachen zur Auswertung unserer Daten zu treffen. Wir diskutierten über Unterschiede, die sich während des Kategorisierungsprozesses der im TaiGer Noticing-Projekt erhobenen Lehrkräfteantworten zur Bewertung von Unterrichtssituationen ergeben hatten. Am Nachmittag hielt Anke Lindmeier zudem vor Studierenden der Mathematik (Lehramt) in der National Taiwan Normal University (NTNU) einen Vortrag zu digitaler Lernverlaufsmessung im Mathematikunterricht, wozu sie im Rahmen des Vorhabens EWIWE digiLev zusammen mit Constanze Schadl  an der Uni Jena forscht.

Der Dienstag begann mit einem Meeting im Rahmen des größeren TaiGer NetzwerksExterner Link, einer Gruppe von MathematikdidaktikerInnen aus Deutschland und Taiwan, die verschiedene Fragen zum Mathematikunterricht mittels kulturkontrastierenden Ansätzen untersuchen. Der Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen  Aiso Heinze (Kiel)Externer Link, Jessica Hoth (Frankfurt)Externer Link, Kai-Lin Yang (NTNU Taiwan)Externer Link, Ting-Ying Wang (NTNU Taiwan)Externer Link, Kristin Litteck (Kiel)Externer Link und uns beiden vom Jenaer Team brachte neue Ideen und Ansätze für die weitere Arbeit mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen hervor. Am Nachmittag widmeten wir uns erneut im kleineren Kreise den Arbeiten im TaiGer Noticing Projekt.

Am Mittwoch und Donnerstag Vormittag hatten wir die Chance, jeweils eine Unterrichtsstunde in zwei verschiedenen Grundschulen zu besuchen und mit taiwanesischen Lehrkräften ins Gespräch zu kommen

Meine Eindrücke der Unterrichtsstunden waren durchaus positiv. Die strukturierte Arbeitsweise der Schülerinnen und Schüler war besonders bemerkenswert. Gerade am Beispiel von zwei Aufgaben (1) zum Legen von Figuren mit einem Gliederband (Mittwochmorgen) und (2) zum Ausmessen des Klassenraumes (am Donnerstagmorgen) wurde dies besonders deutlich. Bei der zweiten Aufgabe haben je 4-5 Lernende mit zwei Ein-Meter-Zollstöcken, die Breite, Länge oder Höhe des Raumes gemessen. Diese Aufgabe dauerte etwa 3 Minuten. Anschließend saßen die Lernenden sofort wieder ruhig an ihrem Platz.

Ein weiterer Unterschied zum mir bekanntem Unterricht war die Anleitung der schülerorientierten Aufgaben. Aus eigenen Unterrichtserfahrungen und Hospitationen in Deutschland bin ich eine Phase gewohnt, in der eine Aufgabenstellung sehr offen kommuniziert wird und Lernende die Möglichkeit bekommen, sich mit dem Gegenstand der Aufgabe oder Materialien auf ihre eigene Weise vertraut zu machen. Dies führt manchmal zu Ergebnissen, die nicht direkt mit dem Lernziel der Lehrkraft übereinstimmen. 

In beiden Unterrichtsstunden in Taiwan wurde dies anders umgesetzt. Die Lehrkraft legte klare Do's and Don't's fest. Sie zeigte diese an beispielhaften Bildern anhand ihrer vorbereiteten Präsentation. Mein Eindruck war, dass die Arbeitsphase dadurch sehr koordiniert und die Ergebnisse näher am Lernziel waren. Diese Eindrücke decken sich auch mit grundlegenden Orientierung und Konzepten der Mathematikdidaktik in Taiwan wie bspw. dem Guiding (einer klaren Anleitung der Lernenden) und ebenso mit weiteren beschriebenen kulturellen Eigenheiten des Unterrichts ostasiatischer Länder. Gerade die Unterrichtsbesuche ermöglichten interessante Einblicke und machten bereits im Kleinen kulturelle Unterschiede zwischen deutschem und taiwanesischem Unterricht für mich erfahrbar.

Eindrücke des ersten Schulbesuchs am Mittwochmorgen

  • Unterricht in taiwanesischer Grundschule
    Foto: Hsin Mei Huang
    Aufgabenstellung

    Lehrkraft erläutert die Aufgabenstellung

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Am Mittwochabend wurde das gesamte Forschungsteam von einem der bedeutendsten Mathematikdidaktiker Taiwans, Fou-Lai LinExterner Link zuerst zu einem Besuch des großen Mathematiklehrkräftefortbildungszentrums an der NTNU und im Anschluss zum Essen eingeladen. Beeindruckt von der konsequenten Ausrichtung der Fortbildungen an Merkmalen guten Mathematikunterrichts fand über den Abend ein angeregter Austausch zu weiteren Forschungsdesiderata statt. Dabei weitete das exklusiv frische Seefood unseren Blick für kulturelle Unterschiede außerhalb des Mathematikunterrichts.

Die Einladung zum Abendessen war eine große Ehre, so wie auch eine Einladung in das Privathaus von Fou-Lai Lin am Donnerstag. Am Donnerstag Abend war sogar ein wenig Zeit für ein wenig Sightseeing in Taipei.

Unsere Reise gipfelte in einer kleinen Konferenz mit Symposium am Freitag an der National Taipeh University, die einen Studiengang zu "educational design" anbietet. In einer Posterpräsentation präsentierten die Studierenden der University of Taipei ihre Abschlussprojekte, in denen (digitale) Lernspiele und Lernumgebungen entwickelt wurden.

Mit vielen großartigen Eindrücken und weiterentwickelten sowie neuen Forschungsideen reisten wir am darauffolgenden Tag zurück nach Deutschland.

 

Eindrücke des Symposiums am Freitag

  • Austausch Anke Lindmeier, Hsin Mei Huang
    Foto: University of Taipei
  • Poster
    Foto: Josephine Paul
  • Station bei der Posterpräsentation
    Foto: Josephine Paul